Langenfeld (RP) Werteverlust, Wertezerfall oder doch nur Wertewandel: Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen spürt in ihrem Forum der Frage nach, ob „wir alle Wert(e) los“ sind, wenn die Erziehung an Schule und Fernsehen delegiert wird.
langenfeld/monheim „Jugend ohne Werte ?“: Provokant ist der Vortrag der Shellstudien-Mitautorin Dr. Gudrun Quenzel heute im Flügelsaal überschrieben. Dass Teenager einander schon wegen ein paar Euros „abzocken“, ist in beiden Städten trauriger Alltag. Für den Langenfelder Realschulleiter Elmar Heckrath fängt der Werteverlust bei der zunehmenden Missachtung von Artikel 1 des Grundgesetzes an: „Egozentrismus und Tabulosigkeit stehen heute über der Würde des einzelnen Menschen.“
Schnell reich und berühmt
Die 17-jährige Maike bestätigt: „Die Teilnehmer von ,Deutschland sucht den Superstar’ sind in den Augen der Juroren doch nur Objekte, mit denen Quote gemacht wird.“ Dieses Sendeformat berge aus Sicht der KAG-Schülerin, die selbst „Familie“, „Zielstrebigkeit“ und „Ehrgeiz“ als Werte nennt, das Risiko, Jugendlichen zu vermitteln, dass man schnell reich und berühmt werden könne, ohne viel dafür tun zu müssen. „Geld ist mir wichtig“, bekennt der 14-jährige Karim. Doch spielen für den Achtklässler auch Familie und Freunde eine große Rolle. Wie für seinen Mitschüler Jonas, der die fünfte Klasse der Felix-Metzmacher-Schule besucht und zudem „Sport“ als Wert bezeichnet. Sicher ein Erfolg des von Schulleiter Rolf Schlierkamp angestoßenen Handball-Förderprojektes, bei dem die Schüler nicht nur fangen und abspielen, sondern auch Fairness und Teamgeist lernen, um Ellbogen-Mentalität und Egozentrismus entgegen zu wirken. „Von zehn jugendlichen Strafgefangenen“, hat Schlierkamp gelesen, „haben neun noch nie einen Mannschaftssport betrieben“.
ACK-Forum: „Werte“
Heute stellt Soziologin Dr. Gudrun Quenzel, die Mitautorin der Shellstudie „Jugend 2006“, deren Ergebnisse vor. Am 15. März diskutieren sechs Teilnehmer von drei verschiedenen Generationen über „Werte im Wandel“. Zu beiden Veranstaltungen lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Langenfeld (ACK) unter dem Forumsthema „Sind wir alle Wert(e) los?“ ab 19.30 Uhr in den Flügelsaal des Kulturzentrums an der Hauptstraße 131 ein. Der Eintritt ist frei.
Sport, Familie und Freunde haben auch für Martin, Florian (beide 16) und Bianca (13) von der benachbarten Johann-Gutenberg-Realschule eine große Bedeutung. „Die Gruppe spielt bei Jugendlichen eine zentrale Rolle“, weiß Rektor Elmar Heckrath, dessen Schule seit 20 Jahren modellhaft und mit wissenschaftlicher Begleitung die moralisch-demokratische Urteilskompetenz fördern möchte. Bei dieser „Dilemma-Methode“ geht es um Konfliktsituationen, in denen Werte in einem (vermeintlich) unauflösbaren Widerspruch zueinander stehen. „Beispiel: Sage ich bewusst die Unwahrheit, um einen Freund nicht zu verpfeifen?“
Zuverlässigkeit Wertvolles Thema
„Zuverlässigkeit“ ist denn auch ein Wert, den der 20-jährige Gesamtschüler Marco bei seinen Freunden schätzt – und bei seiner Familie, die er als „Vermittler von Werten“ erlebt. Eine Erfahrung, die Rolf Schlierkamp bei vielen seiner Schüler vermisst: „Die Erziehung wird eher an das Fernsehen und die Schule abgegeben.“ Über die Hälfte der Metzmacher-Schüler würden von nur einem Elternteil aufgezogen: „Da bleibt die persönliche Zuwendung oft auf der Strecke.“
Hier sieht Schlierkamp einen Auftrag seiner katholischen Hauptschule: „Die freiwilligen Andachten, die wir anbieten, werden von einem Viertel unserer 450 Schüler besucht.“ Für Schlierkamp ist das ein Signal für die Sehnsucht nach Werten.
RP vom 7.3.2008